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Richtiges Sitzen

By Lukas Höller, 27-10-2020 15:33:35

Richtiges Sitzen


In diesem Artikel geben wir Einblick, was das Sitzen alles mit unserem Körper anstellt und wie du Beschwerden vermeiden kannst.


Unsere einzigartige Stellung im Tierreich ist die aufrechte Haltung. Wir haben die Arme vom Boden genommen, den Rumpf aufgerichtet und den Kopf gehoben, um nach Millionen von Jahren endlich aufrecht durch die Welt zu schreiten. Gemessen an dieser Zeit ist es nur ein Augenblick, in dem sich der Mensch vom Gehenden zum Stuhlsitzenden umwandelte. Stühle haben den Alltag des Menschen verändert und somit auch die biomechanischen Herausforderungen mitgebracht1. Im Durchschnitt sitzen wir bis zu 9,3 Stunden am Tag und mehr.2 Die geringere Aufrichtung des Oberkörper, ein vermindertes Bewegungsausmaß der Beckenkippbewegung und größere Beugewinkel in der Hüfte, können bei nicht stattfindenden Ausgleichbewegungen in der Freizeit Schmerzen im muskuloskelettalen System verursachen. 

Allerdings ergeben sich im Sitzen auch eine Reihe von Vorteilen. Hüftgelenke und Beine werden entlastet, die Rumpfstabilität wird verbessert, der Energieverbrauch ist reduziert, die Kreislaufbelastung herabgesetzt, nach längerem Stehen bietet das Sitzen eine Entlastung der Wirbelgelenke und die stabile Position fördert die visuelle Übersicht für ein konzentriertes Arbeiten1

Zu langes, ununterbrochenes Sitzen hat, unabhängig von der sonstigen körperlichen Aktivität, eine negative Auswirkung auf den Energiestoffwechsel des Körpers. Durch fehlende lokale Muskelkontraktionen ist die Lipoproteinlipase-Aktivität (Ein Prozess im Fettstoffwechsel, zur Fettverwertung im menschlichen Körper)  eingeschränkt, was die HDL-Cholesterinproduktion und Glukoseaufnahme hemmt3. Das HDL-Cholesterin transportiert das LDL-Cholesterin („schlechte Form des Cholesterins“) in die Leber, wo das Blutfett abgebaut werden kann und daher vor einer Arterienverkalkung schützt. Glukose ist die Grundlage für den Gehirnstoffwechsel, wodurch konzentriertes Arbeiten erst ermöglicht wird. Diese Habitualität wird im Fachjargon als Active Couch Potato-Phänomen bezeichnet, welches Assoziationen mit Übergewicht und einer Reduktion des Mineralgehalts der Knochen zeigt.

 

Biomechanische Aspekte

Aus der biomechanischen Sicht erfolgen im Stehen die Bewegungen des Beckens von der Hüfte aus. In der sitzenden Position stellen die Sitzbeinhöcker die Drehachse da, was eine rollende Vor- und Rückwärtsbewegung zwischen Gesäß und Auflagefläche ergibt. Durch die Translation der Bewegungsachse wirken nun im Sitzen längere Hebelarme auf das Becken, als in stehender Position. Der Beckenstand wird aktiv von Rumpf-, Gesäß-, und Beinmuskeln gesteuert. Da sich im natürlichen Sitz das Körpergewicht hinter die Drehachse verlagert, nimmt das Becken im passiven Zustand automatisch eine nachhinten gerollte Position ein. Diese Tatsache bedingt eine gekrümmte Ruhehaltung der Wirbelsäule, was eine dehnende Belastung der hinteren Bandstrukturen erzeugt. Bei Nichtbeachtung dieser Problematik kann sich ein Rundrücken entwickeln. Weiters verspannt sich die Muskulatur im Schultergürtel, was Spannungskopfschmerz erzeugen und auch zu Rückenschmerzen führen kann. Die Hüftbeuge-, Bauch-, Rücken- und Brustmuskulatur erschlafft bzw. verkürzt aufgrund von Inaktivität. Diese muskuläre Dysbalance kann Ursprung für leistungslimitierende Symptome sein. 


Unsere Empfehlungen für Dein aktives Sitzen 

Um den genannten Problemen zu entgehen, empfehlen wir dir bei VOSS Praxis für Physiotherapie und Sportphysiotherapie, folgende Maßnahmen:

·      Deine Fußsohle liegt satt am Boden, die Beine sind hüftbreit geöffnet

·      Der Winkel zwischen Unter- und Oberschenkel beträgt mindestens 90°

·      Becken mittig, bzw. leicht nach vorne gekippt -> leichtes Hohlkreuz in der Lendenwirbelsäule

·      Brustkorb angehoben und aufgerichtet positionieren

·   Kinn leicht anziehen, Nacken lang machen -> "Doppelkinn" 


Eine Grundlage für die richtige Sitzposition stellt die Aktivierung der Rumpfmuskulatur dar. Ohne dieser kann das Becken nicht nach vorne gerollt werden, der Wirbelsäule fehlt es an aktiver Stabilisation und für die Brust- und Halswirbelsäule wird es unmöglich eine ökonomische Positionierung einzunehmen. 


Gerade sitzen den ganzen Tag - ist das gut?

Diese Frage wird uns bei VOSS oft gestellt. Natürlich kann kein Mensch der Welt diese Position über einen gesamten Arbeitstag am Schreibtisch halten. Das ist auch nicht das Ziel. Trotzdem ist es empfehlenswert sich mehrmals am Tag an das aktive Sitzen zu erinnern, um einerseits leistungsfähig und andererseits beschwerdefrei zu bleiben. 


Literatur

1.   Kempf H-D, ed. Die neue Rückenschule: das Praxisbuch. 2. Aufl. Springer; 2014.

2.   Stamatakis E, Gale J, Bauman A, Ekelund U, Hamer M, Ding D. Sitting Time, Physical Activity, and Risk of Mortality in Adults. J Am Coll Cardiol. 2019;73(16):2062-2072. 

3.   Owen AM, Hampshire A, Grahn JA, et al. Putting brain training to the test. Nature. 2010;465(7299):775-778.