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Physiotherapie bei Supinationstrauma

By Lukas Höller, 02-10-2020 16:54:32

Physiotherapie bei Supinationstrauma (Umknicktrauma am Sprunggelenk)

Das „Umknicken“ mit dem Sprunggelenk wird in der Medizin als Supinations- oder Inversionstrauma bezeichnet. Das Krankheitsbild macht 14% aller Notfallbehandlungen bei Sportlern aus und ist somit die Sportverletzung mit der höchsten Inzidenz (Polzer et al., 2012). 

Dabei kommt es zu einer Dehnung, Teil- oder Totalruptur der Außenbänder. Das Sprunggelenk wird an der Außenseite von drei Bändern stabilisiert, welche in der Gelenkkapsel des oberen Sprunggelenks liegen. Das Supinationstrauma entsteht durch eine plötzlich, übermäßige Auswärtsdrehung, kombiniert mit einer Streckung oder Beugung des Fußes über das physiologische Bewegungsausmaß hinaus.

Die Guidelines schreiben die frühfunktionelle Behandlung als Standardtherapie vor. Die deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) empfiehlt eine supinationshemmende Orthese für 5 Wochen unter Vollbelastung. Eine Studie aus dem Jahr 2014 zeigt, dass Patienten welche mit einer funktionellen Orthese versorgt werden, ein signifikant besseres Outcome haben, als jene die mit einem Gips immobilisiert werden (Prado et al., 2014). Wir bei VOSS orientieren uns bei der Behandlung des Sprunggelenks stark an die Guidlines.

 

Die Verletzung kann eine mechanische oder funktionelle Instabilität des Sprunggelenks zu Folgen haben.

  • Die funktionelle Instabilität folgt aus einem sensomotorischen Steuerungsproblem. Die passive Gelenksbeweglichkeit bleibt unauffällig. In diesem Fall fehlt der Muskulatur die nötige Koordination, auf umliegende Reize eine adäquate Antwort zu finden. Meistens fällt die funktionelle Instabilität erst bei hohen Belastungen auf, wie z.B. beim Sport.
  • Die mechanische Instabilität ist auf eine strukturelle Verletzung im Kapsel-Band-Apparat zurückzuführen. Diese kann der Arzt oder Therapeut mit dem Anterior Drawer Test feststellen. 

Um eine Instabilität des Sprunggelenks nach einem Supinationstrauma zu verhindern, gilt es in unserer Physiotherapiepraxis VOSS den Fokus auf die aktive Stabilisation zu richten. Bei einer zeitgerechten Progression der Trainingsintensität erlernt das sensomotorische System das Gelenk funktionell zu stabilisieren.


Prävention von Supinationstraumata

 

Um die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten eines Supinationstrauma so gering als möglich zu halten, gilt es Risikofaktoren zu minimieren. Diese sind eine verminderte Muskelkraft bzw. muskuläre Dysbalance der Fußmuskulatur, geringe Einbeinstand-Stabilität, verminderte Rumpfstabilität, Stellungsänderungen von Fußknochen und ein erhöhtes Körpergewicht. Diese Parameter untersuchen wir in einem Präventiven Checkup und schlagen Lösungsansätze vor. Außerdem stellen Sportarten mit schnellen Richtungswechseln eine erhöhte Gefahr für Supinationstraumata da. Die höchste Inzidenz findet sich bei Volleyball, Basketball, Fußball, Klettern und Geländesportarten (Fong et al., 2007).


Therapie nach Wundheilungsphasen bei einem Supinationstrauma

 

In der Entzündungsphase (Tag 1.-5.) steht in unserer Physiotherapiepraxis das Patientenmanagement und die Schmerzlinderung im Vordergrund. Das Gelenk wird mit einer Orthese versorgt, bei Belastungsschmerzen wird auf Gehilfen zurückgegriffen. Um Schwellung und Schmerz in der ersten Phase der Rehabilitation in Grenzen zu halten, wird die Einnahme von entzündungshemmenden Medikamenten (NSAR) empfohlen. Ein Systematic Review von 2018 zeigt im weiteren Rehabilitationsverlauf keinen signifikanten Nachteil hinsichtlich funktioneller Stabilität und Beweglichkeit, im Vergleich zur Gruppe die keine Schmerzmedikamente eingenommen hat (Vuurberg et al., 2018). Die Entzündungsphase gilt als abgeschlossen, wenn keine Dauer- und Ruheschmerzen mehr angegeben werden. Das ist auch unser Ziel, bei einer Physiotherapeutischen Behandlung. Außerdem sollte der Temperaturunterschied im Seitenvergleich unter 2°C betragen. 


Die darauffolgende Proliferationsphase (Tag 5.-21.) stellt die Wiederherstellung der Beweglichkeit, Bindegewebesstrukturierung und Koordination in den Mittelpunkt. Um eine erneute Traumatisierung zu verhindern, wird das Bewegungsausmaß in allen Bewegungsrichtungen so weit ausgeführt, bis der Patient ein schmerzfreies Spannungsgefühl spürt. Dies fördert die physiologische Bindegewebsstrukturierung von Kollagen Typ III in die angestrebte Kollagen Typ I Form. Die Kollagensynthese profitiert besonders von hohen Wiederholungszahlen (100-200 WH/Tag) im belastungsfreien Bereich. Dabei sollte das Sprunggelenk in Beugung und Streckung als auch Fußein und - auswärts aktiv bewegt werden. Krafttraining mit subjektiver Erschöpfung und Laktatbildung kann aufgrund der geringen Stabilität des Gewebes noch nicht durchgeführt werden. Um die Stabilität des Sprunggelenks wiederherzustellen, gilt es den Fokus auf die neuromuskuläre Ansteuerung zu richten. Hierfür zeigt sich das Blackboard Training als ein geeignetes Trainingstool. Durch zwei verbundene, jedoch separat bewegliche Standflächen, kann isoliert und damit gezielt die Bewegung des Vor- und Rückfußes beansprucht werden. Die frei versetzbaren Drehachsen ermöglichen dabei neben der Mobilisation die differenzierte Aktivierung gewünschter Muskelgruppen. Das Blackboard kann auch in unserem VOSS-Shop erworben werden. 


In der Remodellierungsphase (Tag 21. – 360.) sollte die Wiederherstellung der Sportfähigkeit erreicht werden. Das Ziel ist es den Patienten auf das Niveau wie vor der Verletzung zu bringen. Dies geschieht durch eine sukzessive Steigerung der Belastung und des Trainingsumfangs mit regelmäßiger funktioneller Testung. Darum sollten Kraft- und Koordinationstraining kontinuierlich gesteigert werden, um eine plötzliche Überlastung zu verhindern. Dabei wird berücksichtigt, dass sechs bis acht Wochen nach der Traumatisierung die Stabilität noch reduziert ist. Schmerzen werden vom Patienten keine mehr angegeben. Sollten in dieser Phase noch Bewegungseinschränkungen bestehen, werden diese mit manuellen Techniken vom PhysiotherapeutInnen behandelt. Um die neuromuskuläre Leistung wiederherzustellen gilt es den Fokus auf die Kraft- und Koordinationsfähigkeit zu setzen. Übungen wie Lunges auf instabilen Untergründen (Airex-Kissen, Bosu-Ball, etc.) oder Squat Jumps sind dabei essenzielle Bestandteile des Trainings. Auf unserer großzügig gestalteten Trainingsfläche in der Voss Praxis für Physiotherapie und Sportphysiotherapie lassen sich alle Trainings in vollem Umfang und mit zahlreichen Geräten problemlos ausführen.


Indikationen für eine operative Therapie bei einem Supinationstrauma


Operationen sind in der Akutphase dann indiziert, wenn eine offene Verletzung, geschlossene irreponible knöcherne Bandausrisse oder eine Ruptur des Innenbands vorliegt (Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie, 2017). Häufig beobachtet man einen knöchernen Ausriss der Bandinsertionen bei Nachwuchsathleten mit kräftigen Bändern oder bei älteren Personen mit verminderter Knochenstabilität (Krischak, 2009). 


Der Riss kann entweder mit einer Bandnaht oder einer Bandplastik versorgt werden, wo eine Sehne aus dem eigenen Körper entnommen und als Bandersatz eingesetzt wird. Außerdem greift man beim Versagen der konservativen Therapie auf die operative Vorgehensweise zurück. Ein solches Versagen wäre z.B. eine chronische Instabilität, welche in 10-20% der Supinationstraumen eintritt. Charakteristiken sind wiederkehrende Schmerzen, Schwellungen der gelenksumgebenden Strukturen und wiederholte „Umknick“-Ereignisse im Alltag oder Sport. Als chronisch wird der Zustand dann klassifiziert, wenn die Problematiken 6 Monate nach dem ersten Traumata bestehend sind (de Vries et al., 2011). Eine erhöhte Laxizität der Außenbänder kann Grund für erneutes „umknicken“ sein. Bis zu 34% erleiden nach der erstmaligen Verletzung erneut ein Supinationstrauma (Imhoff et al., 2011). Studien weisen aber darauf hin, dass 60-70% der rezidivierenden Supinationstraumata mit der konservativen Therapie erfolgreich behandelt werden können (Struijs & Kerkhoffs, 2010).

 

Literatur

de Vries, J. S., Krips, R., Sierevelt, I. N., Blankevoort, L., & van Dijk, C. N. (2011). Interventions for treating chronic ankle instability. Cochrane Database of Systematic Reviews

Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie. (2017). Frische Außenbandruptur am Oberen Sprunggelenk.

Fong, D. T.-P., Hong, Y., Chan, L.-K., Yung, P. S.-H., & Chan, K.-M. (2007). A systematic review on ankle injury and ankle sprain in sports. Sports Medicine (Auckland, N.Z.)

Imhoff, A. B., Linke, R. D., Baumgartner, R., & Ahrens, P. (Hrsg.). (2011). Checkliste Orthopädie. Thieme.

Krischak, G. (2009). Traumatologie für Physiotherapeuten: 13 Tabellen (2. Aufl). Thieme.

Polzer, H., Kanz, K. G., Prall, W. C., Haasters, F., Ockert, B., Mutschler, W., & Grote, S. (2012). Diagnosis and treatment of acute ankle injuries: Development of an evidence-based algorithm. Orthopedic Reviews

Prado, M. P., Mendes, A. A. M., Amodio, D. T., Camanho, G. L., Smyth, N. A., & Fernandes, T. D. (2014). A Comparative, Prospective, and Randomized Study of Two Conservative Treatment Protocols for First-episode Lateral Ankle Ligament Injuries. Foot & Ankle International

Struijs, P. A., & Kerkhoffs, G. M. (2010). Ankle sprain. BMJ Clinical Evidence2010.

Vuurberg, G., Hoorntje, A., Wink, L. M., van der Doelen, B. F. W., van den Bekerom, M. P., Dekker, R., van Dijk, C. N., Krips, R., Loogman, M. C. M., Ridderikhof, M. L., Smithuis, F. F., Stufkens, S. A. S., Verhagen, E. A. L. M., de Bie, R. A., & Kerkhoffs, G. M. M. J. (2018). Diagnosis, treatment and prevention of ankle sprains: Update of an evidence-based clinical guideline. British Journal of Sports Medicine